Städte, Gemeinden, regionale Verbände, Bundesländer bis hin zur Österreichischen Bundesregierung sprechen von Kulturstrategien. Alle vereint, dass eine sinnvolle und professionell erarbeitete Kulturstrategieeinen wesentlichen Mehrwert für die jeweiligen Auftraggebenden mit sich bringen kann.

Die ersten Profiteure eines kulturstrategischen Prozesses sind bekanntlich immer die Bürgerinnen und Bürger selbst. Zur Selbstvergewisserung eines Lebensraumes gehört daher nicht nur das soziale Umfeld, das Vereinsleben oder der Arbeitsplatz, sondern insbesondere das kulturelle Angebot, Bildungseinrichtungen und beispielsweise Möglichkeitsräume für Sport und Freizeit. Städte und Regionen können so ihre Attraktivität steigern. Diese Erkenntnis basiert auf dem UNESCO-Kulturbegriff, der 1982 im Rahmen der Weltkonferenz über Kulturpolitik in Mexiko-Stadt beschlossen wurde:

„Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kenn- zeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“

Diese Auseinandersetzung mit dem kulturellen Angebot bildet meist die Grundlage für den Diskurs über eine kulturelle Positionierung, welche sich mit Stärken, Chancen und Potenzialen von Kommunen und Regionen auseinandersetzt, wissend, dass gerade Städte vor großen Herausforderungen stehen:

  1. Unsere Gesellschaft verändert sich sichtbar. Diversität, Inklusion und Heterogenität sind mehr als Schlagworte unserer Zeit, sie bestimmen in großem Stil unser Zusammenleben. Folglich ändert sich auch das kulturelle Leben auf Basis eines zeitgemäßen Kulturbegriffs.
  2. Das kulturelle Nutzungsverhalten verändert sich. Gerade mit Blick auf digitale Angebote gilt es, das Live-Erlebnis und die Unmittelbarkeit von Kunst als einen Moment der Wahrhaftigkeit nach Matthias Naske, Intendant des Wiener Konzerthauses, konsequent zu thematisieren. Welchen Mehrwert stellt die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur für das Individuum dar?
  3. Die Gesellschaft ist mobil geworden. Der öffentliche Verkehr wird sukzessive ausgebaut. Der motorisierte Individualverkehr ist nach wie vor, gerade im ländlichen Raum, die meist genutzte Fortbewegungsmöglichkeit. Folglich nutzen Bürgerinnen und Bürger Angebote an den ausgefallensten Orten und Gegenden, was im Kontext von urbanen Zentren längst Teil der programmatischen Ausrichtung geworden ist.

Herausforderungen gerade für Städte

Dies sind lediglich drei Thesen, auf die Antworten im Rahmen einer Kulturentwicklung gesucht werden. Folglich kann eine Perspektive für eine zeitgemäße Kulturpolitikentstehen, die weit mehr subsummiert, als Kunst im Sinne von Musik, darstellender und bildender Kunst oder Literatur sowie Fragen des Förderwesens.

Basis einer zeitgemäßen Strategieentwicklung ist die Idee eines aktivierenden Kulturbegriffs, der sich Fragen der Gesellschaft wie Inklusion, Migration, Arbeitsplatz, Mobilität, Kulinarik, Kommunikation, Bildung oder Digitalisierung stellt. Das sind nur einige Aspekte, die neben den künstlerischen Betätigungsfeldern von bildender und darstel- lender Kunst, Musik, Literatur, Stadtgeschichte sowie Festivals, Spiel- und Produktionsstätten oder der Lebenssituation von Künstlerinnen und Künstlern neu betrachtet werden.

Dr. Ulrich Fuchs, stellvertretender Intendant der Kulturhauptstädte Europas Linz 2009 und Marseille 2013 sagt in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen am 11.05.2018:

 „Es geht um Kultur in einem sehr umfassenden Verständnis. Kunst machen Künstler mit hoher Begabung. Kultur beschreibt aber ein viel weiteres Feld menschlicher Aktivitäten. Wir überschreiten dabei die Grenzen zur Wissenschaft, zum Sport, zu sozialen Themen, zur Architektur und Stadtplanung und sogar zu Feldern wie Mode und Gastronomie.“ (Sedelies 2018)