Erwin Wurm ist einer der international bedeutendsten Künstler Österreichs. Seine beiden Skulpturen aus der Serie „Skins“, die für das neu renovierte Parlament in Wien angekauft wurden, werden jedoch wieder aus dem Hohen Haus verschwinden. Der Ankauf wurde nach Kritik und Kontroversen rückabgewickelt – Nationalratspräsident Walter Rosenkranz einigte sich mit dem Künstler auf eine Rückgabe der Werke.
Was sagen Wurms Arbeiten aus – und warum passen sie womöglich gerade deshalb in ein Parlament?
Die beiden betroffenen Skulpturen entstammen Wurms Serie „Skins“ – Arbeiten, die sich mit Haut beschäftigen: als physische und symbolische Grenze, als Oberfläche, als Projektionsfläche. Die Skulpturen zeigen abstrahierte, überzeichnete Körperteile in isolierter oder verfremdeter Form – wie ein Bein, ein Arm, ein zusammengedrehtes Gliedmaß. In ihrer Formensprache irritieren sie, sie entziehen sich einer schnellen Lesbarkeit und verweigern die klassische heroische Symbolik, die man in öffentlichen Regierungsgebäuden sonst erwartet.
Doch gerade diese Subversion macht ihren Reiz aus: In einem Ort der Repräsentation, der Normen und Regeln, konfrontieren Wurms Skulpturen die Besucherinnen und Besucher mit dem Menschlichen im Politischen – dem Körper, seiner Verletzlichkeit, seiner Fragmentierung. Was ist das Parlament anderes als ein Körper gemeinschaftlicher Aushandlung, als ein Ort, wo Interessen, Positionen, Biografien aufeinandertreffen?
Wurms Skulpturen bringen dieses Spannungsfeld in Form. Sie stellen Fragen: Wo beginnt und endet unser politischer Körper? Was darf sichtbar sein? Und: Wie viel Abweichung, wie viel Individualität verträgt ein Raum, der auf Konsens und Repräsentation angelegt ist?
„Wenn der Präsident des Nationalrats ausgerechnet in Fragen der Kulturpolitik provokant agiert, beschädigt das nachhaltig das Ansehen des Amtes und vertieft gesellschaftliche Gräben. Gerade von der Spitze eines demokratischen Parlaments ist zu erwarten, Kunst und Kultur nicht zum Spielball ideologischer Auseinandersetzungen zu machen.“ (CT)
Die Rückgabe der beiden Skulpturen mag einer pragmatischen Einigung entsprungen sein – sie bleibt dennoch ein kulturpolitisches Signal. Dass ein renommierter Künstler wie Erwin Wurm seine Arbeiten lieber zurückkauft, als sie unter einer politisch unerwünschten Repräsentation stehen zu lassen, spricht für seine Integrität. Es zeigt aber auch, wie sehr Kunst immer wieder zur Projektionsfläche gesellschaftlicher Auseinandersetzungen wird – gerade in Zeiten zunehmender Polarisierung.
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